Staat | CO2 |
---|---|
China | 29% |
USA | 11% |
Indien | 7% |
Russland | 5% |
ICT | 4% |
Der ICT Sektor sorgt für etwa 4% des globalen CO2 Ausstoßes – Tendenz stark steigend. Wäre dieser Sektor ein Staat, würde er zu den 5 CO2-intensivsten Staaten zählen. Dieser Fakt kommt in der öffentlichen Wahrnehmung zu kurz. Ich möchte dazu beitragen, für das Thema zu sensibilisieren und das Web effizienter zu machen.
Motivation
Daten über das Internet zu senden, kostet Energie. Und es ist weit mehr, als ich erwartet hatte, bevor ich anfing, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Ein Megabyte an gesendeten Daten können Tonnen an CO2 kosten, wenn diese Daten an genug Besuchende gesendet werden (siehe Rechenbeispiel). Außerdem kann eine hohe Datenlast dazu führen, dass es lange dauert, bis Inhalte auf einer Webseite angezeigt werden können. Maßnahmen zur Optimierung der Web Performance und Web Nachhaltigkeit überschneiden sich stark, wie das folgende Diagramm illustriert.
- Resource Hints
- Progressive Font Rendering
- Deferred Rendering/Scripting
- Regenerative Energiequellen
- Zugänglichkeit
- Privatsphäre
- Nacht Modus
- Daten Transfer Minimieren
- Datei Kompression
- Caching
- Bild Optimierung
- Lazyloading
- Adaptives Design
- Rechenlast minimieren
- Clientseitig (JS, CSS)
- Serverseitig (Skripte, DB)
- CDNs
Zum einen können wir durch effizientere Webseiten Energie sparen, zum anderen lassen wir Besuchende weniger lange auf Antwort warten. Zum Thema Wartezeit muss ich immer wieder an folgende Berechnung denken, die früher in Googles Team kursierte:
Die Berechnung ist wie folgt: durchschnittliche menschliche Lebenserwartung ist siebzig Jahre. Das sind etwa 2 Milliarde Sekunden. Wenn ein Produkt 100 Million Benutzer hat und diese täglich vier Sekunden unnötig warten lässt, dann tötet das ein tausend Menschen im Jahr.
Während diese Berechnung ethisch fragwürdig ist, illustriert sie die Wichtigkeit doch sehr gut. Wir sollten nicht leichtfertig mit der Ladezeit unserer Webinhalte umgehen. Wer zu lange auf Inhalte wartet, verliert den Bezug zur eigentlichen Intention. Besuchende sind schnell abgelenkt, ein Phänomen, das sich bei immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspannen weiter verstärkt.
Warum sind dann nicht alle Webseiten bis auf das letzte Kilobyte optimiert? Nun, es ist erst in den letzten Jahren ein Bewusstsein dafür entstanden, wie sich die Geschwindigkeit / Performance einer Webseite auf das Nutzerverhalten auswirkt. In initialen Anforderungsprofilen für Webprodukte ist weiterhin häufig weder die Performance noch der Ressourcenverbauch ein Kriterium.
Häufig werden langsame Webinhalte erst optimiert, wenn die veröffentlichten Inhalte zu langsam sind. Die Optimierungen verbessern dann den Status Quo, aber versäumen nicht selten eine nachhaltige Umstellung in den Entwicklungsprozessen. Ich möchte helfen ein Umdenken zu bewirken.
CO2 Rechenbeispiel
Mithilfe der Open-Source Bibliothek CO2.js können wir abschätzen was allein der Datentransfer von Servern zu Besuchende kostet.
Schauen wir uns die Webseite des deutschen Nachrichtenportals Der Spiegel an. Um das Beispiel verständlicher zu machen und da wir nur an groben Größenordnungen interessiert sind, wollen wir ein paar vereinfachende Annahmen treffen.
- Alle Besuchende rufen nur die Startseite auf.
- 1% aller Besuchende rufen die Seite ungecached auf (Erster Besuch nach langer Pause).
- Alle Besuchende akzeptieren die Privatsphäre-Konditionen.
- Alle Besuchende scrollen bis zum ersten Video Block.
- Alle Besuchende erhalten die gleichen Werbeeinblendungen, die ich während meiner Tests erhielt(keine Ad-Blocker, personalisierte Werbung oder Änderungen mit der Zeit).
Ich habe die Tests mit Chrome auf dem Laptop mit Emulieren eines mobilen Endgerätes durchgeführt.
Das erstmalige Aufrufen der Webseite verursachte 8.4 MegaByte an Datentransfer. Ein wiederholter Seitenaufruf einen Tag später verursachte 4.2 megabytes, also genau die Hälfte.
Zum Glück ist das Hosting der Webseite via “Link11 GmbH” grün, , so dass ein wenig CO2 eingespart wird.
Trotzdem kostet der Transfer der Daten pro Seitenaufruf 447mg CO2. Rechnen wir weiter mit 166 Million Besuchen im Monat. Das führt zu 890 Tonnen an emittierten CO2 pro Jahr. Das entspricht dem gespeicherten CO2 von 40.000 ausgewachsenen Bäumen. 🤯
Diese Zahlen sind schwer zu verdauen, aber die gute Nachricht ist, dass recht einfache Maßnahmen eine signifikante Reduzierung herbeiführen können, sogar auf einer diffusen Webseite wie spiegel.de.
Einfache Optimierung wirkt
Besonders bei reichweitenstarken Webseiten können kleine Veränderungen wahnsinnig viel bewirken. In obigem Rechenbeispiel würden Einsparungen von 2MB für neue und 1MB für wiederkehrende Besuchende eine Einsparung von 213 Tonnen CO2 pro Jahr bedeuten. Das ist mehr als 27 mal so viel, wie die durchschnittliche EuropäerIn im Jahr verbraucht. Und glücklicherweise wären diese Einsparungen nicht schwer zu erreichen, wie die nachstehenden Beispiele zeigen.
Optimierung | Kontext | Schwierigkeitsgrad | Einsparungen |
---|---|---|---|
Moderne Bildformate
Viele Bilder von Drittanbietern sind in alten Formaten wir jpeg oder png und einige sind noch nicht einmal für Webseiten optimiert. Die Benutzung von webp oder dem neueren avif könnten zusätzliche Einsparungen bewirken. | 95%+ aller Besuchende | Mittel | 3MB+ |
Textkompression erweitern
Mindestens eine riesige Textdatei wird nicht komprimiert gesenden. Die meisten Datein werden mit gzip komprimiert, brotli könnte eine effizientere Alternative für die meisten dieser Datein sein. | Alle Besuchende | Leicht | 500kB+ |
Caching verbessern
Cache Laufzeiten sind zu niedrig für einige Dateien, die sich wohl nie ändern. Sollte die Gefahr bestehen, dass sie sich doch ändern, könnten gehashte Datei-URI verwendet werden. | Wiederkehrende Besuchende | Leicht | 200kB+ |
Back/Forward Cache ermöglichen
Einige Features verhindern, dass der back/forward Cache funktioniert. Ein Fix könnte den gesamten Datentransfer eliminieren, der durch Benutzung der Back-/Forward-Buttons entsteht. | Besuchende die auf der Webseite navigieren | Mittel | 5MB+ |
Automatisches Abspielen von Videos verhindern
Automatisch ladende Videos erzeugen natürlich eine hohe Datenlast. Es scheint, als wenn Videos sogar bei Besuchern mit langsamer Verbindung (3G) geladen werden.
| Besuchende nach Scrollen | Leicht | 3MB+ |
Mir geht es hier nicht darum spiegel.de an den Pranger zu stellen. Bei den Webseiten der anderen Nachrichtenportale sieht es wahrscheinlich nicht besser aus und spiegel.de hat einige wichtige Optimierungen schon vorgenommen. So werden viele Ressourcen nur geladen, wenn sie wirklich benötigt werden (lazyload) und die Thumbnail Bilder der Artikel sind im webp Format. Ich will hier nur illustrieren wie viel Einsparungspotential noch besteht.
Wie wir ein Umdenken bewirken
Das Problem ist nicht, dass es keine Bereitschaft gibt, CO2 einzusparen. Es ist eher ein Problem, dass es keine Wahrnehmung für den CO2 Ausstoß von Webseiten gibt. Es muss also besser kommuniziert werden. Es freut mich daher zu sehen, dass das W3C eine Arbeitsgruppe zu dem Thema Nachhaltigkeit ins Leben gerufen hat, die im Herbst 2023 Richtlinien für das Thema definiert hat. Ich hoffe, dass eine solch autoritäre Institution im Web die nötige Aufmerksamkeit generieren wird. Der Begriff der Nachhaltigkeit wird hier deutlich weiter gefasst, als nur ökologisch und richtet sich nach der Definition des Sustainable Web Manifesto, welches ich unterzeichnet habe. Nachhaltige Web Entwicklung ist demnach:
- Sauber (basiert auf erneuerbaren Energien)
- Effizient (benötigt so wenig Energie wie möglich)
- Offen (Zugänglich und Privatsphäre schützend)
- Ehrlich (keine irreführenden Inhalte)
- Regenerativ (unterstützt nachhaltiges Wirtschaften)
- Resilient (robust und sicher)
Da vielen Webseiten Betreibende trotz der genannten Gründe in erster Linie die eigene Profitabilität am Herzen liegt, ist es ein Segen, dass Performance und Nachhaltigkeit so nah aneinander liegen. Es ist leichter zu überzeugen, wenn man eine Korrelation der Web Optimierung zum Erfolg der Webseite sieht.
- Wenn hier von CO2 die Rede ist, meine ich CO2 Äquivalent (CO2e): eine Metrik, die die Auswirkungen verschiedener Treibhausgase auf die Erderwärmung relativ zu Kohlendioxid über einen spezifischen Zeitraum quantifiziert.
- Die Abschätzung basiert auf Daten aus einem Review für das Jahr 2020 und dem Abgleich mit einem Report von EDGAR der Europäischen Union
- Diese Bibliothek stellt mehrere Modelle zur Berechnung des CO2 Ausstoßes bereit. In der folgenden Berechnung verwenden wir das Sustainable Web Design Modell. Wenn die Betreibende der Server die Energiequellen der Server offen legen, wird dies in der Berechnung berücksichtigt; wenn nicht, wird die durchschnittliche CO2 Intensität der jeweiligen Länder zugrunde gelegt. Es wird aktuell diskutiert, ob Datentransfer die beste Proxy-Metrik für CO2 Ausstoß einer Webseite ist, aber im Moment scheint es die beste Metrik zu sein, die uns zur Verfügung steht.
-
Berechnung mit der CO2.js (v0.16) Bibliotheksmethode
perVisitTrace(1000*1000*8.4, true, {dataReloadRatio: 0.5, firstVisitPercentage: 0.01, returnVisitPercentage: 0.99, gridIntensity: { dataCenter: { country: "DEU" }, device: { country: "DEU" }, network: { country: "DEU" }}});
- Gerechnet mit 22kg absorbiertem CO2 pro Jahr.
-
Berechnung mit der CO2.js Bibliotheksmethode
perVisitTrace(1000*1000*6.4, true, {dataReloadRatio: 0.5, firstVisitPercentage: 0.01, returnVisitPercentage: 0.99, gridIntensity: { dataCenter: { country: "DEU" }, device: { country: "DEU" }, network: { country: "DEU" }}});
. Die resultierenden 340mg werden wieder mit der Anzahl der Besuche und den 12 Monaten im Jahr multipliziert (166.000.000 x 12), Dies führt zu 677 Tonnen emittiertem CO2. - Die Korrelation ist durch zahlreiche Fallstudien belegt.
- Levy, S. (2011). In the Plex - How Google Thinks, Works, and Shapes Our Lives. 1st Simon & Schuster hardcover ed. https://openlibrary.org/books/OL26318641M/In_the_Plex (last opened: 25.06.2025)
- https://www.fastcompany.com/90994638/attention-span-shrinking-social-media-tiktok-long-videos (last opened: 25.06.2025)
- https://www.thegreenwebfoundation.org/green-web-check/?url=https%3A%2F%2Fwww.spiegel.de (last opened: 25.06.2025)
- Statista: https://web.archive.org/web/20240210130704/https://de.statista.com/statistik/daten/studie/154154/umfrage/anzahl-der-visits-von-nachrichtenportalen/ (last opened: 25.06.2025)
- Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-der-europaeischen-union#pro-kopf-emissionen (last opened: 25.06.2025)
- https://w3c.github.io/sustyweb/ (last opened: 25.06.2025)
- https://www.sustainablewebmanifesto.com/ (last opened: 25.06.2025)
- C. Freitag, et. al. The real climate and transformative impact of ICT: A critique of estimates, trends, and regulations. Volume 2, Issue 9, 2021,100340, ISSN 2666-3899, https://doi.org/10.1016/j.patter.2021.100340 (last opened: 25.06.2025)
- European Commission: https://edgar.jrc.ec.europa.eu/report_2023 (last opened: 25.06.2025)
- https://developers.thegreenwebfoundation.org/co2js/models/ (last opened: 25.06.2025)
- https://fershad.com/writing/is-data-the-best-proxy-for-website-carbon-emissions/ (last opened: 25.06.2025)
- https://developers.thegreenwebfoundation.org/co2js/methods/#pervisittrace-sustainable-web-design-only (last opened: 25.06.2025)
- https://www.eea.europa.eu/de/articles/waelder-gesundheit-und-klimawandel (last opened: 25.06.2025)
- https://wpostats.com/ (last opened: 25.06.2025)