Viele US-Digitalprodukte sollten wir meiden. Es gibt bessere EU-Alternativen.

Überschrift: "Digitale Produkte". Zwei Messe-Stände. Einer hat eine lange Warteschlange, das Schild zeigt "US Produkte all deine Daten sammelnd". Der andere hat gar keine Besucher, das Schild zeigt "EU Produkte Datenschutz respektierend".

Viele gute Gründe sprechen dafür, den großen amerikanischen Unternehmen und den Oligarchen, die dahinterstehen, den Rücken zu kehren. Mit diesem Post rufe ich ein paar wichtige Argumente für einen Wechsel in Erinnerung.

Für viele amerikanische Platzhirsche gibt es adäquate europäische Alternativen. Einige Highlights habe ich unten aufgelistet.

Darum sollten wir wechseln

Ich unterteile die Argumente in drei Kategorien, auch wenn diese miteinander zusammenhängen.

Abhängigkeit

Es gibt einige unangenehme Szenarien, die unter der faschistoiden Präsidentschaft in den USA denkbar scheinen. Viele Oligarchen in den USA haben dem Präsidenten das Knie gebeugt und ihn mit Geldgeschenken bedacht und politische Vorstellungen scheinbar in vorauseilendem Gehorsam umgesetzt.

Ist es bei steigenden geopolitischen Spannungen unmöglich, dass die US-Regierung europäischen Behörden das Benutzen von US-Produkten untersagt und Zugänge sperrt? Nein, im Gegenteil, es ist sogar schon passiert! Dem Chefankläger des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag wurde kurzerhand der Zugang zu seinem Email-Konto gesperrt, nachdem u.a. Israels Präsident zum Kriegsverbrecher erklärt wurde. Ich glaube kaum, dass Europa für weitere Attacken dieser Art gewappnet ist. Nur wenige Länder emanzipieren sich bisher von Windows Produkten, die in den Behörden eine große Rolle spielen. Gesperrte Zugänge könnten die Apparate lahm legen und zu kritischem Datenverlust führen.

Auch private Unternehmen könnten durch solche Maßnahmen hart getroffen werden und in sich ausweitenden Handelsstreits in einen Wettbewerbsnachteil geraten.

Dabei beschränken sich die Risiken nicht nur auf gezielte Sperren. Unsere Abhängigkeit von kritischer Internet Infrastruktur aus den USA bedroht das freie Internet für alle.

Privatsphäre

Amerikanische Unternehmen sind nicht an die strikten Vorgaben des DSGVO gebunden, wenn die Server, auf denen Daten gespeichert werden, nicht auf europäischem Boden liegen. Viele Benutzende wiegen sich in Sicherheit, weil Daten nur verschlüsselt auf den Servern landen. Aber erstens sind manche Verschlüsselungen wie z.B bei WhatsApp sehr anfällig, zweitens lassen sich selbst durch Meta-Daten eine Menge Informationen über Anwendende folgern.

Auch wer keine Angst davor hat, als politische FeindInnen identifiziert oder überwacht zu werden, sollte den eigenen Datenabfluss so gering wie möglich halten, u.a. weil man sich sonst beeinflussbarer macht.

Beeinflussung

Die Manipulation der US-Wahl und der DE-Wahl durch tendenziöse Algorithmen bei der Mikro-Blogging Plattform formerly known as Twitter sind gut belegt. Aber auch andere Plattformen haben politisch gesteuerte Algorithmen.

Mit (Gen)KI können Manipulationen noch gezielter durchgeführt werden. Der Fall der Holocaust-Leugnung auf Grok, der scheinbar durch unbefugtes (Elon Musk höchst-persönlich?) Verändern der KI herbeigeführt wurde, zeigt noch einmal deutlich wie gefährlich die Abhängigkeit von KI im Allgemeinen ist. Im Besonderen aber, wenn hinter der KI faschistische Persönlichkeiten das Sagen haben. Wie oben ausgeführt, könnten amerikanische Firmen auch künftig Forderungen von Trump (oder Musk) Folge leisten, die Wahlen oder Meinungsbilder in bestimmte Richtungen lenken.

Das funktioniert umso besser, je mehr Leute diese Dienste nutzen aber auch je mehr Daten sie preisgeben. Mikrotargeting heißt das Werkzeug, dass Cambridge Analytics schon 2016 erfolgreich eingesetzt hat, um die US-Wahl und das Brexit Referendum zu manipulieren.

Das sind die Alternativen

Für einige Produkte gibt es bessere europäische Alternativen als euch vielleicht bewusst ist. european-alternatives.net bietet eine Umfangreiche Datenbank für digitale Produkte, die aus Europa stammen.

Bei anderen Produkten ist die Vormachtstellung der amerikanischen Anbieter so groß, dass Netzwerk-Effekte Wechsel unattraktiv erscheinen lassen, aber wenn alle bleiben, wo sie sind, kann kein Wandel erreicht werden. Also, los geht’s!

Hier sind meine persönlichen Highlights der Alternativen.

Alternativen zu Alphabet (Google) Produkten

Google Maps => OpenStreetMap, Organic Maps oder OsmAnd

Einzig bei der der Stau-Erkennung und dem Street-View ist Google Maps überlegen. Aber allein die Tatsache, dass Google diese Daten hat, sollte uns zu denken geben. Google weiß wahrscheinlich mehr über das Bewegungsverhalten als alle europäischen Verkehrsministerien zusammen.

Ich kann super mit den Alternativen leben. Organic Maps ist mein Favorit für Navigation auf dem Telefon. Die App ist weniger datenhungrig als Googles Alternative und schneller lädt sie auch.

Google Mail => PotonMail, mailbox.org

Google Mail sammelt unglaublich viele Daten, mit wem ihr schreibt, wann ihr schreibt und worüber ihr schreibt. Letzteres hat zu Kontroversen geführt, da entsprechend personalisierte Werbung vielen Nutzenden doch zu gruselig war. Diese Art der Werbung wurde dann eingestellt. Die Daten hat Google aber natürlich trotzdem noch.

Google Translate => Deepl, Supertext

Nach meinem Dafürhalten sind beide Alternativen mindestens genauso gut wie Googles Übersetzungsdienst.

Chrome => Mullvad Browser, Vivaldi, (Firefox)

Chrome hat zwar viel für die Weiterentwicklung von Webstandards geleistet, es bleibt aber (noch) ein Produkt von Google und ist in Sachen Privatsphäre mit Vorsicht zu genießen.

Mich überzeugt Vivaldi, welches von einem Opera co-Founder gegründet wurde. Auch Mullvad Browser kann sich sehen lassen. Hierbei handelt es sich um einen Firefox-Fork. Auch Firefox selbst ist als Open-Source Produkt eine gute Alternative zu Chrome, auch wenn sie bei der Entwicklung von Web-APIs ein wenig hinterherhinken und Unternehmenssitz in den USA liegt.

Google Calendar => Calendar.online, Proton Calendar oder Tutanota Calendar

Ein persönlicher Kalender beinhaltet sehr viele persönliche Daten, umso wichtiger, dass diese nicht schamlos gesammelt werden.

Die europäischen Alternativen sind ebenbürtig. Die Einträge eines Kalenders lassen sich einfach exportieren und in einen neuen Dienst importieren. Der Wechsel sollte also auch einfach machbar sein.

Youtube => Yet-Stream, alugha

YouTube ist voll von betrügerischer Werbung und der Algorithmus spült haufenweise (KI-generierte) Videos mit Fake-News nach oben.

Zugegeben: der Wechsel von YouTube zu einer Alternative ist schwierig, da keine andere Plattform so ein breites Angebot hat. Aber wenn ihr selbst Videos macht, die ihr auf einer Webseite einbetten wollt, so solltet ihr doch zumindest zu alugha oder Yet-Stream greifen.

Ansonsten sollte meiner Meinung nach nur auf YouTube zurückgegriffen werden, wenn die gesuchten Videos nicht auch in einer anderen Mediathek zu finden sind.

Google Search => Ecosia, Qwant, (DuckDuckGo)

Die Qualität der Google Suchergebnisse hat in den letzten Jahren stetig abgenommen. Neuerdings kommen zu den Suchergebnissen auch noch ungefragte KI-Ergebnisse mit mäßigem Erfolg. Das verbraucht Energie ohne Mehrwert zu bieten (imho).

Da fällt der Wechsel zu Ecosia oder Qwant umso leichter. Ecosia verspricht den gesamten Profit in umweltfördernde Projekte zu investieren, was den Anbieter noch attraktiver macht.

Die Suchergebnisse sind aktuell noch abhängig von Bing und Googles Suchindex und somit für tendenziöse/manipulierte Suchergebnisse anfällig. Das soll sich aber bald ändern, Qwant und Ecosia arbeiten gemeinsam an der Entwicklungen eines eigenen Suchindexes.

Aktuell sind beide Suchmaschinen noch mit Vorsicht zu genießen, da sie persönliche Daten an Bing weitergeben – und bei Einwilligung auch an Google. Außerdem fängt auch Ecosia an, ungefragt KI-Ergebnisse einzustreuen. 🤨

Wer stärkeren Privatsphäreschutz sucht, kann vorerst auf DuckDuckGo aus den USA zurückgreifen. Die Suchmaschine hat sich Datenschutz auf die Fahnen geschrieben und gibt an keine personenbezogen Daten zu speichern.

Alternative soziale Medien

Twitter/X, Threads => Mastodon, (Bluesky)

Wie oben ausgeführt, die Wahlmanipulationen durch Twitter/X sind gut belegt. Wechselt zu Mastodon. Der Umgangston ist dort viel angenehmer.

Bluesky ist als dezentrale Open-Source Variante mit großer Reichweite ebenfalls empfehlenswert, auch wenn der Unternehmenssitz in den USA liegt.

Instagram => Pixelfed, BeReal

Wie oben ausgeführt ist Meta schon vor Trumps zweitem Amtsantritt dadurch aufgefallen, dass sie Forderungen von Trump umgesetzt haben. Wechselt zur dezentralen Alternative Pixelfed oder teilt authentischere Bilder von euch über BeReal.

WhatsApp => Threema, Wire, (Signal)

Am besten ist es, wenn man hier als Gruppe umzieht. Überzeugt die Mehrheit einer Gruppe zum Umzug und macht es euch bei einem neuen Messenger bequem.

Ich würde hier das reichweitenstarke Signal empfehlen, obwohl die dahinter stehende gemeinnützige Stiftung US-amerikanisch ist. Immerhin ist die Verschlüsselung sehr stark und örtliche Behörden können fast keine Daten abgreifen (lediglich Zeitpunkt der letzten Nutzung der App).

Mit Threema und Wire gibt es auch gute EU-Alternativen, die bisher nur in Sachen Reichweite hinterherhinken.

Weitere Highlights

ChatGPT => Le Chat (mistral)

Ich kann bisher keinen qualitativen Unterschied zwischen der französischen KI und dem amerikanischen Marktführer erkennen. Wechselt doch bitte schnell rüber, wenn ihr schon (Gen)KI verwenden müsst.

NordVPN => Mullvad VPN, Proton VPN

VPN Dienste Versprechen verbesserte Privatsphäre, aber ironischer Weise teilt man fast seinen gesamten Datenverkehr mit dem verwendeten VPN Anbieter. Umso wichtiger, dass man hier ein seriöses, europäisches Angebot wählt.

Mullvad VPN harmoniert natürlich gut mit dem Mullvad Browser. Proton VPN lässt sich zum Beispiel gut mit Vivaldi kombinieren.

LastPass => Passbolt, Bitwarden

Die Passwortmanager Passbolt und Bitwarden sind gute Alternativen zu LastPass. Es braucht nur etwas mehr Zeit beim Aufsetzen. Aber es lohnt sich. Mehrere Sicherheitsvorfälle bei LastPass suggerieren, dass die Alternativen auch sicherer sind.

LinkedIn => Xing

Auf Xing ist zwar nicht so viel los wie bei LinkedIn, dafür muss man aber auch weniger KI-generierten Content wegscrollen. 😉

Highlights für Entwickelnde

AWS => OVHCloud, UpCloud, Scaleway

Github => Gitlab, GitLabHost, Codeberg

Asana => OpenProject, Zenkit Projects, Taiga

MailChimp => rapidmail, Brevo

Cloudflare => OVHCloud CDN, KeyCDN

reCAPTCHA => Friendly Captcha, Captcha Fox

Google Analytics => Plausible, eTracker

Fazit

Wir sollten mehr europäische Alternativen nutzen. Viele sind einfach nicht so bekannt wie die Konkurrenz aus den USA, sind aber genauso gut. Hinter den Big Tech Produkten steckt mehr Kapital für Werbung oder sie profitieren vom First-Mover Vorteil.

Ich habe mich bei der Auflistung der Alternativen größtenteils auf die Datenbank von european-alternatives.eu beschränkt. Aber auch für andere Sparten, die dort nicht geführt werden – wie Streaming oder Shopping – gibt es Alternativen aus Europa. Guckt euch am besten nochmal um, bevor ihr zum Beispiel doch wieder zu Amazon Produkten greift. Dann bleibt das Geld auch in Europa. 😉

  • Meta setzt Faktenchecks in den USA aus und erlaubt gewisse Hassrede gegen Homo-/Transsexuelle, macht jeden Instagram Account aus den USA zu Followern des US-Präsidenten und sperrte zeitweise Trump-kritische Suchergebnisse. Auch andere Unternehmen knicken bei DEI Themen ein. Arrow Up Right
  • Dänemark macht zum Beispiel einen Schritt in Richtung Souveränität, indem MS Office durch LibreOffice ausgetauscht wird. Aber auch Ministerien/Behörden andere Länder setzen auf LibreOffice. Ein Rahmenvertrag zwischen EU und LibreOffice + Nextcloud soll auch anderen Institutionen einen Wechsel erleichtern. Arrow Up Right
  • Die meistgenutzten Cloud Dienste sind von Big Tech Unternehmen wie z.B. Amazons AWS, Microsofts Azure, Apples iCloud oder Google Cloud. Auch der meistgenutzte DNS-Dienst ist von Google. Es gibt bereits Bestrebungen, sich von diesen Diensten zu emanzipieren. Auch Länder außerhalb der EU beschäftigen sich mit den Risiken der digitalen Abhängigkeit. Arrow Up Right
Tags #privatsphäre #s12y

Weitere Posts

Bart Simpson guckt traurig und sagt:
Erkenntnisse des diesjährigen Web Almanachs

Die diesjährige Veröffentlichung des Web Almanachs auf httparchive.org zeigt interessante Entwicklungen. Nicht alle davon sind positiv.

Wortwolke rund um das Thema Fonts
Nachteile von Web Fonts: Lösungsansätze

Web Fonts erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Inzwischen nutzen sie 80% aller Webseiten. Zurecht? Dieser Artikel beleuchtet mögliche Nachteile und wie sie umgangen werden.

Ein einfacher dunkel/hell Toggle-Button in beiden Zuständen vor passenden Hintergründen
Warum alle vom Dark Mode profitieren

Entdeckt die zahlreichen Vorteile des Dark Mode, lest über Best-Practices für dessen effektive Implementierung und erfahrt, wie Dark Mode von NutzerInnen erzwungen werden kann, falls dieser nicht angeboten wird.